Ist Kokosöl gesund?

Von den einen als gesundes Superfood gefeiert, von den anderen als „reines Gift“ verteufelt: Kokosöl spaltet die öffentlichen Aussagen in zwei unversöhnliche Lager. Doch wer hat in dieser hitzigen Debatte recht? Ist Kokosöl gesund oder schädlich? Wir haben uns durch den aktuellen Stand der Forschung gearbeitet und die Ergebnisse für dich zusammengefasst.

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Kokosöl und Kokosnüsse - sind sie gesund oder ungesund?
(c) Tijana Drndarski | unsplash
Ernährungsfakten wissenschaftlich mit Studien belegt

Dieser Beitrag beruht auf wissenschaftlich gesicherten Informationen.
✓ studienbasiert & unabhängig
✓ transparente Quellenangabe

Der Superfood-Hype ums Kokosöl

Einige Blog-Beiträge und Social-Media-Posts zum Thema „Kokosöl“ lesen sich, als wenn das vegane, laktosefreie Fett wahre Wunder vollbringen könne: Es soll gut für Haut und Haare sein, beim Abnehmen helfen, antimikrobielle Wirkung haben und sogar das Risiko für Herzkrankheiten senken. Reformhäuser, Bio-Läden und Supermärkte versuchen von dem Kokosöl-Hype zu profitieren und preisen es als gesundes Superfood in den Regalen an. Kein Wunder also, dass laut einer Umfrage der New York Times 72 % der amerikanischen Bevölkerung Kokosöl für ein äußerst gesundes Lebensmittel hält. Im Kontrast dazu, glauben das nur 37 % der Ernährungswissenschaftler.1)

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Vortrag von Professorin sorgt für Aufregung

Kokosöl soll ein gesundes Superfood sein? Da ist Prof. Dr. Dr. Karin Michels ganz anderer Meinung. Sie ist Direktorin des Instituts für Prävention und Tumorepidemiologie am Universitätsklinikum Freiburg und war bis 2015 Professorin in Harvard. Ihr Vortrag „Von Kokosöl und anderen Ernährungsirrtümern“ sorgte im Sommer 2018 für großes Aufsehen bei YouTube: Der Superfood-Hype um Kokosöl und andere Lebensmittel sei allein auf die „phänomenale Werbung“ und eine Überflutung mit ungesicherten Ernährungs-Informationen zurückzuführen.2)

Prof. Dr. Karin Michels: "Kokosöl ist das reine Gift!"

Und Professorin Michels wird in ihrem Vortrag noch viel deutlicher: Die gesundheitsfördernden Eigenschaften, die Kokosöl zugeschrieben werden, seien „völliger Quatsch“: „Es gibt nicht eine einzige Studie am Menschen, die irgendeine positive Wirkung von Kokosöl zeigt.“

Schlimmer noch, Professorin Michels hält Kokosöl für „eines der schlimmsten Nahrungsmittel“, das man „überhaupt zu sich nehmen“ könne. Kokosöl bestehe zu 92 Prozent aus gesättigten Fettsäuren und sei daher „gefährlicher als Schweineschmalz“:

„Gesättigte Fettsäuren verstopfen Ihre Herzkranzgefäße und führen zum sicheren Herztod. Je mehr Kokosöl, je mehr verstopfte Herzkranzgefäße, je höher das Risiko eines Herzinfarkts. Kokosöl ist das reine Gift!“

Wer hat recht? Ist Kokosöl ein Superfood oder "reines Gift"?

Über eine Millionen Mal wurde das Video angesehen und viele Kokosöl-Verfechter fühlten sich vor den Kopf gestoßen. Entsprechende Reaktionen ließen nicht lange auf sich warten: Gegendarstellungen, gehässige Kommentare und zahlreiche Medienberichte fachten den Wirbel um das Video weiter an, ehe es von der Universität Freiburg gelöscht wurde. So blieb am Ende mehr Verwirrung als Klarheit: Wer hat denn nun recht? Die Superfood-Fraktion, die Kokosöl zum Allheilmittel stilisiert, oder Professorin Michels, die Kokosöl für pures Gift hält?

Ist Kokosöl ein gesundes Superfood?

Glaubt man den Marketing-Aussagen und Beiträgen vieler Food-Blogger und Influencer, soll Kokosöl trotz des hohen Anteils an gesättigten Fettsäuren ganz erstaunliche Eigenschaften haben: Es soll Cholesterin und Entzündungen senken und außerdem noch beim Abnehmen helfen. Zurückzuführen sei das darauf, dass der Großteil der gesättigten Fettsäuren im Kokosöl aus mittelkettigen Fettsäuren – den sogenannten MCT-Fetten – besteht. Das ist zwar richtig, aber es gibt keinerlei Beweise dafür, dass sich der hohe Anteil an MCT-Fetten im Kokosöl positiv auf die Herz-Kreislauf-Gesundheit auswirkt.3) 4)

Warum leiden Völker mit hohem Kokosnuss-Konsum seltener an Herz-Kreislauf-Erkrankungen?

Aber wie kommt es dann, dass indigene Völker, bei denen die Kokosnuss als Grundnahrungsmittel gilt, eher selten Herz-Kreislauf-Erkrankungen entwickeln? Das ist zum Beispiel bei der Bevölkerung der Samoa-Inseln, von Pukapuka und Tokelau so.5) Das Problem ist hier, dass einfach eine Komponente aus dem Zusammenhang gerissen wird: Erstens ernähren sich die betroffenen indigenen Völker vor allem von Kokosnuss-Mehl und -Fleisch. Dabei werden viel weniger gesättigte Fettsäuren aufgenommen als bei der isolierten Zufuhr von Kokosöl.3)

Ein Mann hält eine Kokosnuss
(c) Jonas Dücker | unsplash.com

Zweitens kommt es nicht bloß auf die eine Komponente „Kokosnuss“ an, sondern vielmehr auf die gesamte Zusammenstellung der Ernährung und anderer Faktoren wie Bewegung, Lebensstil und Umwelt: Die Bewohner der Samoa-Inseln ernähren sich zum Beispiel neben den Kokosnuss-Produkten vor allem von Meeresfrüchten und pflanzlichen Lebensmitteln. Und ganz wichtig: Der Anteil verarbeiteter Lebensmittel ist in ihrer Ernährung sehr gering.6)

Der erste Kritikpunkt von Professorin Michels, dass es keinen Beleg für die angeblichen gesundheitlichen Vorteile von Kokosöl gibt, ist also absolut richtig.

Schadet Kokosöl der Gesundheit?

Der zweite Kritikpunkt, dem Kokosöl sei nicht nur der Superfood-Status abzusprechen, sondern es schade der Gesundheit sogar, ist da schon schwieriger. Professorin Michels begründet diesen Kritikpunkt mit dem hohen Anteil an gesättigten Fettsäuren im Kokosöl. Gesättigte Fettsäuren sollen stehen im Verdacht, das LDL-Cholesterin und somit auch das Risiko für koronale Herzerkrankungen zu erhöhen.7) Doch anders als es die öffentliche Darstellung vom „bösen Cholesterin“ und den „schlechten gesättigten Fettsäuren“ vermuten lässt, sind hier noch viele Fragen ungeklärt. In der Forschung herrscht beispielsweise keine Einigkeit darüber, ob die Reduzierung gesättigter Fettsäuren wirklich das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen senkt.8)

Ist ein hoher Anteil gesättigter Fettsäuren automatisch ungesund?

Darüber hinaus zeigen Forschungsergebnisse, dass der bloße Fettsäuren-Anteil in einem Lebensmittel nichts darüber aussagt, wie diese Fettsäuren im Körper wirken.9) Das hat unter anderem damit zu tun, dass es verschiedene gesättigte Fettsäuren gibt, die unterschiedlich auf den Stoffwechsel wirken. Außerdem kommt es darauf an, wie die Fettsäuren mit anderen Bestandteilen des Lebensmittels zusammenwirken.8)

Ein Glasbehälter mit Kokosöl
(c) Dana Tentis | pexels

Professorin Michels Behauptung, Kokosöl habe einen hohen Anteil an gesättigten Fettsäuren und sei deshalb automatisch ungesund, ist daher falsch. Das verwundert umso mehr, da dies auch in den Studien, auf die sich Michels in ihrer Stellungnahme beruft, festgestellt wird und sie das hätte berücksichtigen können. Die Stellungnahme wurde später wieder von der Website der Universität Freiburg gelöscht.

Was zeigen Studien?

Nur weil Kokosöl einen hohen Anteil gesättigter Fettsäuren hat, rechtfertigt das also nicht, es automatisch als ungesundes Lebensmittel abzustempeln. Dazu bedarf es einer genauen Untersuchung, wie sich die gesättigten Fettsäuren speziell im Kokosöl auf die Herz-Kreislauf-Gesundheit des Menschen auswirken.

Frühere Studien und Meta-Analysen kamen hier aufgrund der unzureichenden Datenlage zu widersprüchlichen Ergebnissen.10) Im Januar 2020 wurde aber eine Systematische Übersichtsarbeit und Meta-Analyse klinischer Studien veröffentlicht, die etwas mehr Klarheit in die Angelegenheit bringt.11) Hier wurden die Ergebnisse verschiedener Studien mit größtenteils hoher Qualität analysiert.12) Die Studien untersuchten die Auswirkung von Kokosöl auf bestimmte Herz-Kreislauf-Risikofaktoren im Vergleich zu nicht-tropischen Pflanzenölen wie Rapsöl, Sojaöl oder Palmöl. Das Ergebnis: Kokosöl erhöht das LDL-Cholesterin signifikant im Vergleich zu nicht-tropischen Pflanzenölen. Ein hoher LDL-Cholesterinwert gilt als ein Risikofaktor für Herzkreislauf-Erkrankungen.

Wissenschaftliche Studien-Recherche zum aktuellen Stand der Forschung
(c) Nick Morrison | unsplash.com
Abgesehen davon hat Kokosöl in der Meta-Analyse jedoch keine Auswirkungen auf andere Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Triglyzeride, Blutzuckerwerte, Entzündungswerte oder ein erhöhtes Körpergewicht. Außerdem ließ Kokosöl auch das HDL-Cholesterin ansteigen, das in der Öffentlichkeit gerne als „gutes Cholesterin“ bezeichnet wird, da es mit einem geringeren Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen verbunden ist. Allerdings konnten hochwertige Studien mittlerweile nachweisen, dass es sich dabei nicht um einen Kausalzusammenhang handelt – sprich: Ein hoher HDL-Cholesterinwert ist nicht die Ursache des geringeren Risikos fürs Herz-Kreislauf-Erkrankungen, sondern tritt nur parallel dazu auf.13)

Fazit: Ist Kokosöl gesund oder ungesund?

Es gibt bislang keinen wissenschaftlichen Beweis für die angeblich gesundheitsfördernden Wirkungen, die Kokosöl von verschiedenen Food-Bloggern, Influencern und dem Marketing zugeschrieben werden. Ein Superfood ist es somit sicher nicht.

Aber ist es deshalb gleich schädlich für die Gesundheit? Aktuelle Studien deuten zumindest darauf hin, dass es im Vergleich zu anderen Pflanzenölen das LDL-Cholesterin erhöht – ein Risikofaktor für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Ob das aber in der Praxis wirklich bedeutet, dass Menschen, die einen hohen Kokosöl-Konsum haben, häufiger an Herzkrankheiten leiden, ist noch nicht gut erforscht. Zumal sich Kokosöl in den Studien auch nicht negativ auf weitere Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen auswirkte. Das „pure Gift“, wie die Epidemiologin Prof. Karin Michels in ihrem bekannten YouTube-Vortrag zuspitzt, ist Kokosöl deshalb also nicht.

Trotzdem ist ein Umstieg von anderen Pflanzenölen wie Rapsöl oder Olivenöl auf Kokosöl nicht ratsam. Wer Kokosöl ohnehin selten in seiner Küche (zum Beispiel aus geschmacklichen Gründen) einsetzt, kann das auch weiterhin tun. Wer sich allerdings einen gesundheitlichen Effekt davon verspricht, ist beispielsweise mit Olivenöl deutlich besser beraten.

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Quellen & Studien zu diesem Artikel

  • 1) Quealy, Kevin und Sanger-Katzi, Margot: Is Sushi ‘Healthy’? What About Granola? Where Americans and Nutritionists Disagree. In: The New York Times, 5. Juli 2016. Zuletzt abgerufen: 25.10.2020.
  • 2) Das YouTube-Video wurde von der Universität Freiburg gelöscht, ein entsprechender Hinweis findet sich noch auf der Universitäts-Website. Die Berichterstattung über das Video und den Vortrag lässt sich aber durch eine einfache Google-Suche nachvollziehen.
  • 3) Eyres, Laurence et al.: Coconut oil consumption and cardiovascular risk factors in humans. In: Nutrition reviews vol. 74, 4 (2016): 267-80. DOI: 10.1093/nutrit/nuw002
  • 4) Sankararaman S, Sferra TJ.: Are We Going Nuts on Coconut Oil? In: Curr Nutr Rep. 2018 Sep; 7 (3): 107-115. DOI: 10.1007/s13668-018-0230-5
  • 5) Prior, I A et al.: Cholesterol, coconuts, and diet on Polynesian atolls: a natural experiment: the Pukapuka and Tokelau Island studies. In: The American Journal of Clinical Nutrition, Volume 34, Issue 8, August 1981; 1552–1561. DOI: 10.1093/ajcn/34.8.1552
  • 6) DiBello, JR et al.: Dietary patterns are associated with metabolic syndrome in adult Samoans. In: J Nutr. 2009 Oct; 139 (10): 1933-43. DOI: 10.3945/jn.109.107888
  • 7) Jakobsen, MU et al.: Major types of dietary fat and risk of coronary heart disease: a pooled analysis of 11 cohort studies. In: Am J Clin Nutr. 2009 May; 89 (5): 1425-32. DOI: 10.3945/ajcn.2008.27124
  • 8) Krauss, Ronald M et al.: Public health guidelines should recommend reducing saturated fat consumption as much as possible: Debate Consensus. In: The American Journal of Clinical Nutrition, Volume 112, Issue 1, July 2020; 25–26. DOI: 10.1093/ajcn/nqaa134
  • 9) Wu, JHY et al.: Dietary fats and cardiometabolic disease: mechanisms and effects on risk factors and outcomes. In: Nat Rev Cardiol. 2019 Oct; 16 (10): 581-601. DOI: 10.1038/s41569-019-0206-1
  • 10) In einer früheren Netzwerk-Meta-Analyse, deren wissenschaftliche Beweiskraft ebenfalls sehr hoch ist, hatte Kokosöl keinen Effekt auf das LDL-Cholesterin im Vergleich zu anderen Pflanzenölen. Allerdings bezog sich diese Analyse allgemein auf Speiseöle und berücksichtigte nur sechs Kokosöl-Studien. Im Vergleich dazu untersuchte die hier zitierte Meta-Analyse vom Januar 2020 insgesamt 16 Kokosöl-Studien. Ihre Ergebnisse werden zudem von einer anderen Systematischen Übersichtsarbeit aus dem Jahr 2018 gestützt, die ebenfalls zu dem Schluss kam, dass Kokosöl das LDL-Cholesterin erhöht und es keinen Beweis für die angeblichen Superfood-Eigenschaften gibt.
  • 11) Neelakantan, Nithya: The Effect of Coconut Oil Consumption on Cardiovascular Risk Factors. A Systematic Review and Meta-Analysis of Clinical Trials. In: Circulation Vol. 141, No. 10, 13 Jan 2020; 803-814. DOI: 10.1161/CIRCULATIONAHA.119.043052
  • 12) In der Systematischen Übersichtsarbeit und Meta-Analyse waren zwar auch einige Studien mit mäßiger Qualität, aber selbst wenn diese ausgeschlossen wurden, erhielt man das gleiche Ergebnis.
  • 13) Frikke-Schmidt, R et al.: Association of loss-of-function mutations in the ABCA1 gene with high-density lipoprotein cholesterol levels and risk of ischemic heart disease. In: JAMA. 2008 Jun 4; 299 (21): 2524-32. DOI: 10.1001/jama.299.21.2524

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Aktualisiert am 20.09.2021