Wirkt grüner Tee beruhigend?

Nach meinen Tassen Grüntee am Morgen fühle ich mich regelmäßig beruhigt. Ist das nur Einbildung? Müsste mich grüner Tee nicht eigentlich wach machen, da er Koffein enthält? Oder hat das mit der Ziehzeit des Tees zu tun? Als Ernährungswissenschaftler ist meine Neugierde geweckt und ich habe mir die Erkenntnisse der aktuellen Studien genauer angesehen.

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Eine Frau trinkt grünen Tee, um ihre Psyche zu verbessern
(c) thought catalog | unsplash

Dieser Beitrag beruht auf wissenschaftlich gesicherten Informationen.
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Hat grüner Tee eine beruhigende Wirkung?

Es ist eines meiner Morgen-Rituale: Eine kleine Kanne grüner Tee, möglichst lange durchgezogen. Und jedes Mal stelle ich fest, dass ich mich beruhigt und ausgeglichen fühle, nachdem ich meine zwei Tassen geleert habe. Bilde ich mir das nur ein? Schließlich enthält grüner Tee doch Koffein und sollte eher wach machen als beruhigen. Oder liegt es am Ritual an sich, dass ich mich beruhigt fühle? Meine Neugierde ist geweckt: Es wird Zeit, einen Blick in die Studienlage zu werfen.

Studien untersuchen beruhigenden Effekt von grünen Tee

Tatsächlich hat eine Forscher-Gruppe um den schweizerischen Professor Christoph Beglinger in einer systematischen Übersichtsarbeit mehrere Studien ausgewertet, um die Wirkung von grünem Tee auf das Gehirn zu untersuchen.1) Die durchschnittliche Beweiskraft (Evidenz) der Studien wurde mit gut bewertet, sodass wir recht verlässliche Aussagen bekommen. Die Ergebnisse bestätigen meinen subjektiven Eindruck: Täglich 100 bis 500 Milliliter grüner Tee (ein bis drei Tassen) scheinen beruhigend auf die Psyche zu wirken.

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Warum beruhigt grüner Tee trotz Koffein?

Nach wie vor überraschen mich diese Ergebnisse aber. Schließlich enthält grüner Tee doch Koffein, das eher belebt als beruhigt. Und tatsächlich zeigen Studien auch, dass grüner Tee wach macht und die Aufmerksamkeit steigert.4) Allerdings beinhalten die grünen Teeblätter auch die Aminosäure L-Theanin, die ab etwa 200 Milligramm beruhigend auf die Psyche wirkt.2) Außerdem reagierten Studien-Teilnehmer*innen nach der Einnahme von L-Theanin weniger anfällig auf Stress und sie hatten weniger Angststörungen.3)

Forscher der Oxford-Universität haben zudem mehrere Studien analysiert, in denen die Wirkung des Catechin Epigallocatechingallat (kurz: EGCG) untersucht wurde, das in grünem Tee besonders stark vorkommt.4) Wenn in Medien berichtet wird, dass Polyphenole, Flavonoide oder Gerbstoffe im grünen Tee für die beruhigende Wirkung verantwortlich sind, dann ist damit in erster Linie EGCG gemeint. Allerdings liegen hier noch keine ausreichenden Daten vor, um wirklich eine klare Aussage treffen zu können. Dennoch gibt es Hinweise darauf, dass EGCG zwei Stunden nach der Einnahme tatsächlich eine beruhigende Wirkung haben könnte.4)

Beruhigend durch lange Ziehzeit?

Grüner Tee wirkt also sowohl belebend (vor allem durch das enthaltene Koffein) als auch beruhigend – durch Inhaltsstoffe wie L-Theanin und EGCG. Allerdings lässt sich die Wirkung nicht mit Sicherheit auf diese konkreten Inhaltsstoffe zurückführen, da Tee ein komplexes Getränk ist. Die einzelnen Tee-Bestandteile lassen sich in Studien nicht einfach isolieren und hinsichtlich ihrer Wirkung untersuchen. Professor Christoph Beglinger und sein Forscher-Team sind ohnehin der Auffassung, dass die Wirkung wahrscheinlich nicht auf nur einen Inhaltsstoff zurückzuführen ist.1) Vielmehr kommt es auf das Zusammenspiel der verschiedenen Stoffe an.

Wie sich die belebende und beruhigende Wirkung von grünem Tee ausbalanciert, ist ebenfalls noch nicht klar erforscht. Oft heißt es, es komme auf die Ziehzeit an: Zieht der grüne Tee nur ein paar Minuten, ist mehr Koffein gelöst und er macht wach. Zieht er deutlich länger, überwiegen die beruhigenden Inhaltsstoffe. Was gegen diese These spricht: Neben dem belebenden Koffein ist auch das beruhigende L-Theanin schon nach wenigen Minuten gelöst. Was für die These spricht: Das beruhigende EGCG ist erst nach einer langen Ziehzeit zu einem besonders hohen Maße gelöst. Das genaue Zusammenwirken der verschiedenen Inhaltsstoffe muss aber noch näher untersucht werden.

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Quellen & Studien zu diesem Artikel

  • 1) Beglinger, C et al.: Green tea effects on cognition, mood and human brain function: A systematic review. In: Phytomedicine. 2017 Oct 15; 34: 26-37. DOI: j.phymed.2017.07.008
  • 2) Dietz C, Dekker M.: Effect of Green Tea Phytochemicals on Mood and Cognition. In: Curr Pharm Des. 2017; 23 (19): 2876-2905. DOI: 10.2174/1381612823666170105151800
  • 3) White, DJ et al.: Anti-Stress, Behavioural and Magnetoencephalography Effects of an L-Theanine-Based Nutrient Drink: A Randomised, Double-Blind, Placebo-Controlled, Crossover Trial. In: Nutrients. 2016 Jan 19; 8 (1): 53. DOI: 10.3390/nu8010053
  • 4) Camfield, DA et al.: Acute effects of tea constituents L-theanine, caffeine, and epigallocatechin gallate on cognitive function and mood: a systematic review and meta-analysis. In: Nutr Rev. 2014 Aug; 72 (8): 507-22. DOI: 10.1111/nure.12120

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Aktualisiert am 01.01.2021